In seinem Rundbrief vom 18. Februar 2022 schreibt der Vorsitzende der Bayerischen Direktorenvereinigung:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 28. und 29. Januar 2022 traf sich der erweiterte Landesvorstand zu seiner zweitägigen Klausurtagung in Burgthann, um aktuelle bildungspolitische Entwicklungen zu besprechen und zu erörtern. Dabei ging es unter anderem um Probleme, mit denen die Schulleiterinnen und Schulleiter der bayerischen Gymnasien derzeit vor dem Hintergrund der pandemischen Situation zu kämpfen haben und wie diese gelöst werden könnten. Der neue Leiter der Gymnasialabteilung, Herr Ministerialdirigent Martin Wunsch, hatte sich am Freitagnachmittag per Telefon zugeschaltet und sich dankenswerterweise mehr als zwei Stunden Zeit genommen, um mit uns zu diskutieren und sich unsere Sorgen und Nöte wie auch unsere Wünsche und Anregungen anzuhören.
PCR-Pooltestungen in den Jahrgangsstufen 5 und 6
Eines der zentralen Themen unserer Klausurtagung war die geplante Einführung der PCR-Pooltestungen in den 5. und 6. Klassen der weiterführenden Schulen. Selten gab es so empörte und gleichzeitig frustrierte Rückmeldungen aus den Bezirken, die wir mit Zustimmung der jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser auch zeitnah an das KM weitergeleitet haben. Am 1. Februar konnte ich als Vertreter der BayDV unsere Bedenken im Ministerrat vorbringen und unter anderem die Frage stellen, ob der immense Aufwand, der mit der Einführung der Pooltests verbunden ist, den Mehrwert erbringen kann, den man sich wünscht. Ministerpräsident Söder hat daraufhin zugesagt, dass die Einführung unter Berücksichtigung der aktuellen Inzidenzlage noch einmal überprüft werden sollte. Leider sieht es derzeit danach aus, dass die Pooltestungen an den Gymnasien auf jeden Fall kurz nach den Faschingsferien starten werden, und dies in einer Zeit, in der die Schulen wieder einmal am Anschlag arbeiten und mit zahlreichen Ausfällen auf Lehrer- und Schülerseite zu kämpfen haben. Die Omikron-Variante scheint bei vielen Erkrankten zwar weniger problematisch zu verlaufen als frühere Varianten. Gleichwohl führt die geänderte Betrachtungsweise der Wertigkeit von Inzidenzen zu Unsicherheit bei Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften.
Hinzu kommt noch die insgesamt erhöhte Belastung: Die Schulen leisten seit Beginn der Pandemie Aufgaben, die eigentlich von den Gesundheitsämtern erbracht werden müssten. Vieles davon wird auf die Direktorate abgewälzt. Bisweilen verhängen die Gesundheitsämter unterschiedliche Maßnahmen bei gleichen oder annähernd gleichen Sachverhalten. In vielen Gebieten Bayerns – so die Rückmeldungen von BayDV-Mitgliedern – kämen die Gesundheitsämter nicht mehr ansatzweise mit den hohen Infektionszahlen zu Rande. Informationsaufgaben würden dort oft nicht mehr übernommen, was die Eltern dazu bringe, verstärkt Rat bei den Schulleitungen und Sekretariaten zu suchen.
Praxisferne Entscheidungen
Die Ankündigung, ab März ein neues Testverfahren einzuführen, hat bei den Schulleitungen im ganzen Land zu großem Unmut geführt. Die BayDV hat sich klar gegen die Erweiterung des Testverfahrens ausgesprochen, da nach unserer Meinung Aufwand und Nutzen nicht in einem vertretbaren Verhältnis zueinander stehen. Auch wenn die PCR-Pooltestungen empfindlicher reagieren und so infizierte Schülerinnen und Schüler früher erkannt werden können, hat bereits das derzeitige intensivierte Testen dazu geführt, dass sich die Infektionen in den Schulen nicht überdurchschnittlich ausgebreitet haben. Zudem steht zu befürchten, dass die Auswertung der PCR-Tests bei im Augenblick steigendem Testaufkommen einen längeren Zeitraum beanspruchen wird. Die positiv getesteten Schülerinnen und Schüler müssten deutlich vor Unterrichtsbeginn informiert werden, dass sie nicht in die Schule kommen dürfen. Dies könnte in ländlichen Regionen, wo es oft nur eine Verbindung zur Schule gibt und der Schulweg recht früh angetreten wird, zu Schwierigkeiten führen. Auf Seiten des KM besteht diese Sorge offenbar nicht. Man geht davon aus, dass die Testergebnisse rechtzeitig bekanntgegeben werden.
Was unserer Meinung nach fehlt, ist eine mittel- und langfristige Perspektive, wie es nun an den Schulen weitergehen soll. Schulen dürfen nicht über Jahre hinweg Teststationen bleiben! Es ist absurd, Unterrichtszeiten für Testungen zur Verfügung zu stellen und dann Lern-Rückstände zu beklagen, um diese in der Folge mit zusätzlichen Unterrichtszeiten (in den Ferien?) kompensieren zu wollen.
Breites Themenspektrum
Auch wenn das Thema „pandemiebedingte Maßnahmen im Schulalltag“ einen großen Teil unseres konstruktiven Gesprächs mit Herrn Wunsch in Anspruch nahm, kamen auch andere Themenbereiche zur Sprache. Dabei ging es unter anderem um die Probleme der ASV nach der Implementierung des Oberstufenmoduls, um die Modalitäten bei den diesjährigen Abiturprüfungen, die Personalversorgung an den bayerischen Gymnasien in den nächsten Jahren, Förderprogramme und Sommerschule sowie um die Vorbereitungen der neuen Oberstufe im neunjährigen Gymnasium. Dabei kam auch die mitunter schwierige Situation und die enorme psychische Belastung vieler Schülerinnen und Schüler zur Sprache, in die diese in den vergangenen Jahren durch Corona bedingte Maßnahmen wie dem lang andauernden Distanzunterricht geraten sind.
Probleme mit ASV
Wir haben Herrn Wunsch auf die Problematik von falsch berechneten Notenpunkten im Oberstufenmodul von ASV hingewiesen; ebenso auf unsere Sorge, dass die Abiturzeugnisse nicht korrekt erstellt werden könnten bzw. für unsere OSK unhaltbare Belastungen entstehen. Herr Wunsch sagte zu, dem offensichtlichen Problem umgehend nachzugehen.
Oberstufe im G9
Wie wir im Gespräch mit Herrn Wunsch erfahren konnten, ist die Vorbereitung für die neue Oberstufe weiter im Gange. Für das nächste Schuljahr sind Fortbildungen für die Schulleitungen und die OSK vorgesehen. Die Arbeitsgruppe zur Oberstufe unter Einbindung der Vertretungen der Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrkräften und Schulleitungen soll wieder einberufen werden, um die noch nötigen Details zu klären.
Was wir jetzt zeitnah benötigen, sind Informationen zum Budget und zu möglichen Modellrechnungen in Abhängigkeit von der jeweiligen Schulgröße. Auch müssen Vorbereitungen für evtl. Kooperationen und Schwerpunktsetzungen in der neuen Oberstufe getroffen werden. Schulleitungen, OSK, Eltern und Schülerinnen und Schüler müssen allmählich wissen, was auf sie zukommt. Die bisher gemachten Ankündigungen haben sicherlich Vorstellungen und Hoffnungen genährt, die sich in der Praxis vor Ort nicht so leicht umsetzen lassen werden, z. B. bezüglich der Wahl der Leistungsfächer und der Abiturfächer. Ebenso steht zu befürchten, dass die Profilfächer in erheblich geringerem Maße gewählt werden, weil sie nicht mehr in dem derzeitigen Umfang in die Gesamtqualifikation eingebracht werden können. Dies erfordert von den Schulen auch Überlegungen, wie das gymnasiale Schulprofil in seiner für unsere Schülerinnen und Schüler so bereichernden Vielfalt erhalten bleiben kann. Welche Bedeutung dieser Bereich für die jungen Menschen, für unsere Schulgemeinschaften und oft auch für das kulturelle Leben vor Ort hat, wird gerade jetzt in der Pandemie allzu deutlich.
Notwendige Ressourcen für Studien- und Berufsorientierung
Ein besonderes Augenmerk verdient die Studien- und Berufsorientierung. Wir halten es für wichtig, dass das Gymnasium dazu ein attraktives und qualifiziertes Angebot macht. Dies geht selbstverständlich nur, wenn dementsprechende Personalressourcen dafür zur Verfügung stehen und ein gut abgestimmtes Konzept zwischen dem Modul Berufsorientierung in Jahrgangsstufe 9, dem P-Seminar und den beabsichtigten fünf Projekttagen in der Q-Phase mit schülermotivierenden Inhalten entwickelt wird.
Insgesamt wird die neue Oberstufe zwar zum Teil mehr Flexibilität und einige Entlastungen für die Schülerinnen und Schüler bringen, so z. B. durch die spürbare Reduzierung der Wochenstundenzahl. Die neue Oberstufe ist aber auch geprägt von einem hohen gymnasialen Anspruch, der so vielleicht noch nicht von allen gesehen wird. Uns wäre es daher ein zentrales Anliegen, sobald wie möglich die Konkretisierungen für die neue Oberstufe anzugehen.
Besorgniserregende Personalsituation
Der Personalmangel, der die Gymnasien in den kommenden zehn Jahren vor erhebliche Probelme stellen wird, zeichnet sich bereits heute deutlich ab. Wenn auch derzeit für die laufenden Einstellungen in den meisten Fächern noch genügend Bewerber vorhanden sind, können Aushilfsstellen und andere befristete Arbeitsverträge kaum mehr an qualifizierte Lehrkräfte vergeben werden. Es gibt einfach nicht genug von ihnen. Die pandemiebedingten Einschränkungen wie das Betretungsverbot für schwangere Lehrerinnen haben die Situation noch deutlich verschärft. Nach Aufwachsen des neunjährigen Gymnasiums werden spätestens im Schuljahr 2025/26 weit mehr als 1000 zusätzliche Lehrkräfte benötigt. Die aktuelle Zahl der Lehramtsstudentinnen und -studenten reicht mit Sicherheit nicht aus, um den Bedarf zu decken. Der Lehrermangel an den bayerischen Gymnasien wird sich in einigen Fächern aber schon in den kommenden Jahren deutlich zeigen, und das nicht nur in den MINT-Fächern, sondern z. B. auch im Fach Deutsch. Die Prognosen der KMK sind hier kaum belastbar, weil sie von falschen Zahlen ausgingen und nicht berücksichtigten, dass die Schulen mehr und mehr Aufgaben übernehmen sollen, die ihnen von Eltern und Gesellschaft übertragen werden. Die BayDV fordert deshalb, dass in den nächsten Jahren so viele gut qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber eingestellt werden müssen wie möglich. Leider hat es die Staatsregierung versäumt, bereits in den vergangenen Jahren zusätzliche Stellen zu schaffen. Gerade der Ausbau der integrierten Lehrerreserve wäre ein probates Mittel, um einerseits Ausfälle an der Schule schnell zu kompensieren und andererseits sofort mehr ausgebildete Lehrkräfte ins System „einzuschleifen“. Gleichzeitig muss der Lehrerberuf intensiver beworben und attraktiver gestaltet werden. Gerade jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für die abgehenden Abiturientinnen und Abiturienten, in ein Lehramtsstudium einzusteigen.
Digitale Lehrwerke
Ein weiteres Thema, das wir mit Herrn Wunsch kurz erörtern konnten, war die Frage des Lizenzmanagements für digitale Lehrwerke. Dies betrifft vor allem eine einheitliche, finanzierbare und vor Ort unkomplizierte Bereitstellung digitaler Lehr- und Lernmittel. Herr Wunsch bestätigte, dass auch im KM eine zentrale Grundsatzregelung als notwendig erachtet wird. Diesbezüglich will das Staatsministerium zeitnah mit den zuständigen Verlagen ins Gespräch kommen und einen Modus operandi aushandeln, der für Schulen die Anschaffung digitaler Lehrwerke wesentlich erleichtert.
Stellungnahme zu den Leitanträgen der BayDV-Mitgliederversammlung
Herr Wunsch hat zu unseren Leitanträgen, die im Herbst in Grünwald verabschiedet wurden, Stellung bezogen und Verständnis für unsere Forderungen geäußert. Die enorme Belastungssituation, der die Schulleitungen derzeit ausgesetzt sind, werde im KM gesehen. Allerdings sei man bei bestimmten Themen nicht frei in der Entscheidung, sondern von anderen Ministerien oder der Staatskanzlei abhängig. Es würden aber alle neuen Maßnahmen dahingehend überprüft werden, inwieweit sie die Schulleitungen zusätzlich über Gebühr belasten.
Am Ende der Diskussion hat Herr Wunsch erklärt, dass er auch weiterhin einen regen Austausch mit der BayDV pflegen wolle und er sich für die Belange der Schulleiterinnen und Schulleiter an den bayerischen Gymnasien einsetzen werde. Auch wir haben ihm unsere Unterstützung und die kollegiale Zusammenarbeit zugesichert. Im Namen der BayDV danke ich Herrn Wunsch für das offene und vertrauensvolle Gespräch.
Wichtiges in Kürze
- Unsere nächste Mitgliederversammlung findet am 22. Oktober 2022 am Gymnasium Herzogenaurach statt. Bitte halten Sie sich diesen Termin frei. Wir würden uns freuen, wenn dann möglichst viele von Ihnen nach Mittelfranken kommen würden.
- Bei Änderungen der Adresse, der Schule oder der Kontoverbindung. verwenden Sie bitte in Zukunft die beiden neu gestalteten Online-Formulare im Menü „Mitgliedschaft“ auf unserer Website (baydv.de). Bitte bedenken Sie, dass z. B. bei nicht gemeldeten Kontoänderungen eine Rücküberweisungsgebühr sowie zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstehen.
- Nach einigen technischen Schwierigkeiten beim Einzug des Mitgliedsbeitrags durch den bisherigen Schatzmeister und bei der Übergabe des Vereinskontos hat jetzt unsere neue Schatzmeisterin, OStDin Karin Ulrich vom Gymnasium Lindenberg, ihr Amt offiziell übernommen. Vielen Dank für die Übernahme dieser wichtigen Aufgabe!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in den vergangenen Wochen haben uns zahlreiche Schreiben erreicht, in denen Sie in eindrucksvoller Weise die Situation an Ihrer Schule schildern und Ihr Unverständnis über bestimmte Maßnahmen äußern. Zum wiederholten Mal scheint ein Punkt erreicht, wo man nicht weiß, wie es weitergehen soll, ohne die eigene Gesundheit und die der Kolleginnen und Kollegen zu gefährden. Die geplante Einführung der Pooltests in einer Zeit, in der mittlerweile jeden Tag von Lockerungen und Rücknahmen von Corona-Maßnahmen zu hören ist, ist ein aktuelles Beispiel dafür. Eine Rückkehr zur Normalität scheint noch in weiter Ferne. Ich kann Ihnen versichern, dass die BayDV Ihre Sorgen und Nöte uneingeschränkt nachvollziehen kann und daraus erwachsene Forderungen permanent an den verantwortlichen Stellen platziert. Dennoch werden wir nicht alles abwenden können, was uns vielleicht als nicht sinnvoll oder zielführend erscheint und uns in unserer täglichen Arbeit belastet. Umso wichtiger ist es, alle Spielräume zu nutzen, die uns zur Verfügung stehen, und Prioritäten zu setzen, wo es nötig erscheint. Wir kennen unsere Schulen und die Mitglieder unserer Schulfamilie immer noch am besten.
Ich wünsche Ihnen im Namen der BayDV entspannende Faschingsferientage. Nutzen Sie diese Tage, die uns im vergangenen Schuljahr verwehrt wurden, um auch einmal abzuschalten und an sich selbst zu denken.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Walter Baier
Landesvorsitzender
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Titelfoto: Carmen Kühnl | Der neue Leiter der Gymnasialabteilung, Martin Wunsch, im virtuellen Dialog mit dem Landesvorstand der BayDV